Warum Städte Saugkraft brauchen


Extremwetterereignisse stellen die Städte im Oldenburger Land vor neue Herausforderungen. Eine mögliche Reaktion darauf ist die Idee der „Schwammstadt“. Sie wurde nach verheerenden Unwettern im Jahr 2012 in China entwickelt. Im Interview erklärt OOWV-Entwässerungsplaner Reinhard Hövel, wie der Ansatz hierzulande funktioniert und warum Städte in Zukunft natürliche Klimaanlagen sein müssen.

16. März 2022

Foto sponge city-solo©niedersachsenwasser

Eine Stadt als Schwamm: Warum ist das nötig?

Städte sind durch Straßen und Gebäude stark versiegelt. Das bringt zwei Probleme mit sich: Zum einen können Niederschläge nicht versickern, das führt bei zunehmendem Starkregen zu vielen Überschwemmungen. Zum anderen heizen sich Städte in längeren Trockenperioden stark auf, um sechs bis sieben Grad mehr als im Umland. Das senkt die Lebensqualität – bis zu gesundheitlichen Risiken für ältere Menschen.

Was bedeutet das konkret? Wie wird eine Stadt zum Schwamm?

Ein Schwamm kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Genau das müssen auch die Städte leisten können, wenn sie lebenswert bleiben wollen. Sie brauchen Speichermöglichkeiten wie Grünflächen, Baumbestände, Straßengräben oder begrünte Dächer. In den Trockenperioden wird diese Feuchtigkeit abgegeben; die Verdunstung kühlt die Städte beinahe wie eine natürliche Klimaautomatik. Deshalb ist es im Schatten von Bäumen auch sehr viel kühler als unter einem Sonnensegel über der Terrasse.

Ist das aufwändig und kostspielig? Oder lässt sich das leicht umsetzen?

Die einzelnen Maßnahmen sind gar nicht so das Problem. Schwierig ist vielmehr die Flächenkonkurrenz. Jeder Quadratmeter in der Stadt ist umkämpft. Wenn ein Investor ein Gebäude hochziehen will, ist es schwer zu sagen: Eine grüne Wiese wäre doch auch ganz schön. Generell muss man aber festhalten, dass wir als OOWV mit unseren Anliegen mittlerweile viel Gehör finden. Früher mussten wir um jedes Regenrückhaltebecken kämpfen, heute herrscht da große Einsicht.

 

Die Flächenkonkurrenz ist schwierig –
jeder Quadratmeter in der Stadt ist umkämpft.“

Reinhard Hövel (OOWV)

 

Gibt es in unserer Region schon Vorbilder?

Spontan fallen mir zwei Beispiele aus Oldenburg ein. Das eine ist der ehemalige Fliegerhorst im Nordwesten der Stadt. Dort sind Freiflächen, renaturierte Gräben und Gründächer verbindlich im Bebauungsplan festgeschrieben. Das andere Beispiel ist das Quartier MediTech im Stadtteil Kreyenbrück. Dort entstehen Gebäude für die klinische Forschung und für Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft. Neben den eben genannten Punkten gibt es hier einen weiteren Clou: Regenwasser wird in Lehmmulden unterhalb frisch gepflanzter Bäume gesammelt, um sie auch in Trockenphasen versorgen zu können. Neben Oldenburg gibt es aber auch viele andere Kommunen, die gute Ideen haben und auf dem richtigen Weg sind.

Und die vielen Dörfer im Oldenburger Land sind fein raus?

Ganz so einfach ist es leider nicht. Der Klimawandel findet überall statt, in Stadt und Land. Mit Starkregen und Trockenheit sind also auch die Dörfer konfrontiert. Deshalb haben wir zum Beispiel in Hatten ein unterirdisches Regenrückhaltebecken gebaut. Einen Vorteil haben die Dörfer aber: Der Grad der Versiegelung ist nicht so hoch. Das bedeutet, dass mehr Wasser versickern kann und die Erhitzung bei Weitem nicht so groß ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Bildnachweise: ©OOWV

Reinhard Hövel

arbeitet beim Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV) als Entwässerungsplaner. Mit seiner Expertise berät er auch Städte und Gemeinden darin, was sie zukünftig beim Wassermanagement berücksichtigen sollten.

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